Annette Stacheder
Anette Stacheders Kunst zeichnet sich durch mehrere Eigenschaften aus, die sie von anderen Kunst-Auffassungen klar absetzen.
Re-Institutionalisierung des Originals
Annette Stacheders Werke sind Originale im ursprünglichen, originalen Sinne dieses Wortes. Sie sind
Unikate
Nicht reproduzierbar (s.o.)
In ihrer Wirkung kontextabhängig, fluktuierend und variabel
Die Werke Annette Stacheders sind damit echte Individuen: durch Interaktion mit dem Betrachter beziehen sie diesen (häufig durch ins Bild eingearbeitete Reflektions-Ebenen) in die Gesamtwirkung ein. Durch den Wechsel matter, glänzender und spiegelnder Elemente und Farbflächen spielen die Umgebungsfarben, die Licht-Temperatur sowie die Farben des Betrachters in das Kunstwerk ein und bilden einen gemeinsamen Sinneseindruck.
Auch Schatten und Lichtwinkel werden einbezogen: durch ihre starke Dreidimensionalität ändern die Bilder je nach Lichteinfall ihren Ausdruck. Rauhe, körnige, aufgefaltete oder brüchige Strukturen wechseln sich ab und geben dem Auge einen quasi-haptischen Eindruck, nämlich den der Struktur, zusätzlich zum Farbeindruck mit.
In diesem künstlerischen Ansatz zeigt sich ein Konzept, das über Farbe und Form hinausgeht. Stoffe und Materialien werden in einer Gesamtkomposition zusammengefügt, in der Reflektion, Schatten, Struktur, Höhe, Tiefe und Oberflächenbeschaffenheit ineinandergreifen, um einen Ausdruck zu erzeugen, der nur dann zu Stande kommt, wenn ein dreidimensional sehender Mensch unmittelbar vor dem Kunstwerk steht: wechselnd, lebendig und abhängig von der individuellen Schau des Betrachters.
Überwindung der Digitalität
… und Reproduzierbarkeit
Dass das Original etwas anderes ist als seine Kopie, gilt – und gerade dies ist eines der Anliegen der Künstlerin – letztendlich auch für viele banale Objekte, einen Apfel etwa. Es ist eben ein Unterschied, ob man einen Apfel in der Hand hält oder sein Digitalbild im Internet betrachtet.
Gerade dies ist aber eine wesentliche Unterströmung des Gesamtwerks von Annette Stacheder: die Apotheose des Originalen. Während sich vieles in unserer Welt geradezu ärgerlich leicht reproduzieren lässt, gilt dies für diese Kunst nicht. Wer sie ab-fotografiert, verwirft nicht nur eine Dimension, er verliert auch die Inter-Agierbarkeit des Bildes. Jede einzelne dieser Eindrucks-Sammlungen ist schließlich auf die starke Wechselhaftigkeit der Umgebung hin angelegt. Die Zusammenstellung von matt, glänzend, spiegelnd, rauh und glatt ist so pointiert, dass Interaktion und optische Wahrnehmung eins werden; man könnte von einer Kunst 2.0 sprechen.
Diese Bilder nachzugestalten, wäre auch nicht ganz einfach: in die Werke fließen viele Herstellungs-Techniken ein, deren kunsthandwerklicher Hintergrund teils bis in die Antike zurückreicht – und teils werden hochmoderne Techniken und Materialien verwendet. Ein derartiges Werk nachzugestalten, den Ausdruck zu wahren und die Stabilität und Haltbarkeit des Originals zu erreichen: das wäre ein Einsatz, den kein Kopierer und auch kein technisches Gerät aufbringen könnte.
Im digitalen Zeitalter, in dem beinahe jedes Werk eines Kreativen von unerwünschter Reproduktion bedroht ist, taucht damit ein Konzept auf, das den Nachmacher außen vor lässt und die Kopisten düpiert: Um ein Kunstwerk von Annette Stacheder zu erleben, muss man sich eben vor dem Original befinden.
Was sich am einfachsten in ihrer fast ironischen Fingerübung des vergoldeten faulen Apfels zeigt: das Unikat der Natur wird ein Original von Stacheder. Doch wirklich erlebbar wird es eben nur im Real Life – so ansprechend die Abbildung auch sein mag…